Ängste & Phobien

Was ist eine Agoraphobie? Symptome, Ursachen, Therapie und Tipps zur Selbsthilfe

Fachlich geprüft von

Inês Lopes

Festivals, Fernreisen, Feiern und Feste – eigentlich alles schöne Ereignisse. Aber für Menschen mit einer Agoraphobie kann das zum Alptraum werden.  

Agoraphobie ist eine häufige und ernstzunehmende Angststörung, die das Leben erheblich beeinträchtigen kann. Sie ist durch eine intensive Furcht vor bestimmten Situationen oder Orten gekennzeichnet, die als schwer zu verlassen oder als unsicher empfunden werden. Das kann dazu führen, dass diese Orte und Situationen vermieden werden, was wiederum die Bewegungsfreiheit und Lebensqualität stark einschränken kann.

In diesem Artikel werden die Symptome und Ursachen der Agoraphobie ausführlich erläutert. Außerdem werden verschiedene Therapieansätze und Selbsthilfemaßnahmen vorgestellt, die dazu beitragen können, die Symptome zu reduzieren.

Namensherkunft und Abgrenzung zur Platzangst

Der Begriff "Agoraphobie" stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern "agora" (Marktplatz) und "phobos" (Angst) zusammen. Ursprünglich bezog sich Agoraphobie somit auf die Angst vor großen, offenen Plätzen. Heutzutage wird damit vor allem die Angst vor Situationen beschrieben, in denen eine Flucht schwierig oder Hilfe nicht verfügbar erscheint.  Umgangssprachlich wird oft von Platzangst gesprochen, dabei ist dann aber häufig die Klaustrophobie gemeint.

Im Gegensatz dazu beschreibt Klaustrophobie die Angst vor engen, geschlossenen Räumen. Menschen mit Klaustrophobie vermeiden enge und geschlossene Räume wie Aufzüge oder kleine Zimmer. Beide Phobien können erhebliche Angst und Stress verursachen, unterscheiden sich jedoch bezüglich der spezifischen Situationen, die die Angst auslösen.

Agoraphobie und Panikstörung

Agoraphobie kann sowohl mit als auch ohne Panikstörung auftreten. Bei der Agoraphobie mit Panikstörung erleben Betroffene regelmäßig Panikattacken, die von intensiver Angst und starken körperlichen Symptomen begleitet werden. Diese Panikattacken sind dann oft mit dem angstauslösenden Ort verbunden, z.B. einem Konzert oder einer Fahrt in der U-Bahn. Bei einer “reinen Panikstörung” gibt es diese Zusammenhänge oft nicht und die Panikattacke kann unabhängig von bestimmten Situationen davon auftreten.  

Symptome der Agoraphobie

Agoraphobie kann sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußern, die sowohl psychische als auch körperliche Komponenten umfassen:

  • Herzklopfen oder beschleunigter Herzschlag
  • Schweißausbrüche
  • Zittern  
  • Mundtrockenheit
  • Atembeschwerden oder Beklemmungsgefühl  
  • Brustschmerzen oder –beschwerden
  • Magenbeschwerden oder Übelkeit
  • Schwindel oder Benommenheit
  • Gefühl, dass die Objekte unwirklich sind (Derealisation) oder man selbst weit entfernt oder „nicht wirklich hier“ ist (Depersonalisation)
  • Angst, die Kontrolle zu verlieren, verrückt zu werden oder eine andere schwere Erkrankung zu erleiden
  • Angst zu sterben

Ursachen der Agoraphobie

Die Ursachen der Agoraphobie sind vielfältig und komplex und häufig erklären kombinierte Ansätze die Entwicklung einer Agoraphobie besser als eines Konzept allein.  Bei der Entstehung können spezifische Faktoren wie beispielsweise die Genetik, aber auch die Erfahrungen mit dem Umfeld eine Rolle spielen. Zu verstehen, welche Faktoren bei sich selbst zutreffen, kann helfen, die Ursprünge der eigenen Ängste nachzuvollziehen.  

Nachfolgend werden einige Faktoren aufgezählt, die einen Einfluss auf die Entwicklung einer Agoraphobie haben können:

Biologische Faktoren

  • Genetische Veranlagung: Eine familiäre Häufung von Angststörungen kann das Risiko erhöhen, selbst eine Angststörung zu entwickeln.
  • Botenstoffe:  Ungleichgewichte im Neurotransmittersystem, insbesondere bei den Botenstoffen Serotonin und Noradrenalin, können Angststörungen begünstigen. Diese Neurotransmitter spielen eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Stimmung und Angst.
  • Verhaltenshemmung: Manche Menschen reagieren von Natur aus in neuen Situationen eher zurückhaltend und schüchtern. Diese Eigenschaft kann vererbt werden und das Risiko für Agoraphobie sowie andere Angststörungen erhöhen.

Bewertungsprozesse

  • Angstsensitivität: Menschen mit hoher Angstsensitivität sind besonders aufmerksam gegenüber körperlichen Anzeichen von Angst, wie Herzklopfen, Schwitzen oder Zittern. Diese Symptome können aber auch durch ganz harmlose Situationen wie z.B. Hitze oder körperliche Anstrengung ausgelöst werden.  
  • Bewertungsfalle: Die körperlichen Symptome bei Angst werden als gefährlich oder bedrohlich interpretiert, beispielsweise als Hinweis auf einen Herzinfarkt oder eine drohende Ohnmacht. Diese Bewertung führt zu erhöhter Angst, was wiederum die körperlichen Symptome weiter verstärken kann.  

Entwicklungspsychologische Perspektive  

  • Modellernen: Beim Modelllernen wird die Angst durch das Beobachten und Nachahmen von Verhaltensweisen anderer Menschen erlernt. Wenn zum Beispiel ein Kind sieht, dass ein Elternteil bestimmte Orte oder Situationen aufgrund von Angst meidet, kann es dieses Verhalten übernehmen und selbst eine ähnliche Angst entwickeln.
  • Trennungsangst im Kindesalter: Die Forschung legt nahe, dass Trennungsangst in der Kindheit ein signifikanter Risikofaktor für die Entwicklung von Agoraphobie im Erwachsenenalter sein kann.

Folgen von Agoraphobie

Menschen mit Agoraphobie beginnen, die angstauslösenden Situationen zu vermeiden. Dadurch erleben viele eine kurzfristige Entlastung. Langfristig führt es jedoch dazu, dass die Angst weiterhin besteht oder sich auch auf weitere Lebensbereiche ausbreiten kann. Manche Menschen können irgendwann das Haus nicht mehr alleine verlassen und sind auf Begleitung angewiesen. Auch ein Sicherheitsverhalten kann sich einstellen, sodass z.B. nur mit einer Wasserflasche oder einem Glücksbringer bestimmte Situationen bewältigbar erscheinen. Durch den Verlust an Lebensqualität können sich weitere psychische Erkrankungen wie z.B. eine Depression entwickeln. Umso wichtiger ist frühzeitig aktiv zu werden und die Angst abzubauen.  

Therapie von Agoraphobie

Agoraphobie kann sehr gut mit Psychotherapie behandelt werden. Eine wirkungsvolle Therapieform ist dabei die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Ziel ist den eigenen Bewegungsspielraum und damit die Lebensqualität wieder zu verbessern.  

Zu Beginn der Therapie wird gemeinsam nach Ursachen für die Angst gesucht und ein Erklärungsmodell erarbeitet. Der “Teufelskreis der Angst” eignet sich dafür sehr gut:  

Personen mit Agoraphobie bewerten alltägliche Situationen wie z.B. U-Bahn fahren als bedrohlich und gefährlich. Aufgrund dieser Bewertung werden körperliche Reaktionen ausgelöst wie z.B. Übelkeit und Schwitzen. Um diesem Erleben zu entkommen, wird die nächstmögliche Option zur Flucht aus der Situation genutzt - z.B. an der nächsten Haltestelle aussteigen, obwohl man noch gar nicht raus muss. Das führt dann zu einer kurzfristigen Erleichterung, aber es entwickelt sich langfristig Vermeidungsverhalten. Dadurch machen Menschen mit Agoraphobie jedoch nicht die Erfahrung, dass ihnen in der Situation nichts Schlimmes passieren und die Angst vorbeigehen wird.  

Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen, werden in der Psychotherapie verschiedene Interventionen angewandt. Eine zentrale Komponente ist dabei die Expositionstherapie. Dabei setzt man sich schrittweise mit den angstauslösenden Situationen auseinander. Durch die Konfrontation mit der angstauslösenden Situation wird die Angst dann situativ erstmal größer, das ist ganz normal. Anschließend nehmen die körperlichen Reaktionen aber ab und man erlebt, dass einem in der Situation nicht das passiert, was man befürchtet. Auch der Körper hilft hierbei, denn dieser ist nämlich gar nicht in der Lage, über längere Zeit im akuten Angstzustand zu bleiben. Dadurch machen Menschen mit Agoraphobie die Erfahrung, dass sie die Angst und die Situation aushalten können. Durch regelmäßige Wiederholung lernt man somit, dass keine Gefahr droht. Den dahinter liegenden Wirkmechanismus nennt man in der Psychologie Gewöhnung.  

Durch diese Erfahrung kann auch Vermeidungsverhalten schrittweise abgebaut werden und der eigene Bewegungsspielraum wird Schritt für Schritt wieder größer.

Aber auch außerhalb der Psychotherapie gibt es Möglichkeiten, die Symptome kurzfristig zu lindern.  

Selbsthilfe-Tipps

  1. Entspannung durch Atmen
    Tiefes Ein-und Ausatmen hilft uns zu entspannen. Lege dazu eine Hand auf deinen Bauch und fühle wie dieser sich durch die Atmung hebt und senkt. Achte darauf, nicht in die Brust zu atmen, sondern tiefe Bauchatmung zu üben.  
  1. Realitätscheck:
    Prüfe immer wieder deine Bewertungen der Situation. Frage dich, ob du die Situation auch anders bewerten könntest. Denke daran, die Reaktion deines Köpers auf Angst ist normal und wird vorübergehen.
  1. Akzeptanz:
    Akzeptiere die Angst, wenn sie da ist. So widersprüchlich sich das auch anhören mag, aber die Angst anzunehmen wird dir helfen, diese zu überwinden.
  1. Aufmerksamkeitsumlenkung:
    Versuche deinen Fokus weg von deinen Körperempfindungen hin ins Außen zu lenken. Hilfreich kann sein alle grünen oder roten Dinge aufzuzählen. Auch Bewegung und Kopfrechnen kann helfen, die Aufmerksamkeit ins Außen zu bringen.  
  1. Unterstützung suchen:  
    Teile deine Ängste mit anderen. Das ist nicht immer leicht. Gleichzeitig hatte jeder Mensch schon einmal Angst und kennt dieses Gefühl. Sprich mit deiner Begleitperson über deine Befürchtungen und lass dich bei der Suche nach einer geeigneten Therapie unterstützen.

Wenn du dir aktuell noch unsicher bist, was die geeignete Therapie für dich ist, kannst du unseren Mental Health Check machen. Anschließend wird deine Belastung zusammen mit einer Psychotherapeutin eingeordnet und die geeignete Therapie für dich vorgeschlagen.  

Fazit

Agoraphobie ist eine ernstzunehmende Angststörung, die das Leben der Betroffenen erheblich einschränken kann. Sie äußert sich durch eine intensive Furcht vor Situationen oder Orten, die als schwer zu verlassen oder als unsicher empfunden werden. Diese Angst führt oft dazu, dass Betroffene solche Situationen meiden, was ihre Bewegungsfreiheit und Lebensqualität stark beeinträchtigen kann.

Die Ursachen für Agoraphobie sind vielfältig und umfassen genetische, biologische und psychologische Faktoren. Symptome reichen von Herzklopfen und Schweißausbrüchen bis hin zu intensiver Angst und Panikattacken. Ein umfassendes Verständnis dieser Störung ist wichtig, um geeignete Therapieansätze und Selbsthilfemaßnahmen zu entwickeln.

Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich als besonders wirksam erwiesen, um die Bewegungsfreiheit und Lebensqualität der Betroffenen wieder zu verbessern. Durch Expositionstherapie und andere Interventionen lernen die Betroffenen, dass sie die angstauslösenden Situationen bewältigen können.

Neben der Psychotherapie gibt es auch zahlreiche Selbsthilfemaßnahmen, die kurzfristig Linderung verschaffen können. Dazu gehören Entspannungstechniken, Realitätschecks, Akzeptanz der Angst und Aufmerksamkeitsumlenkung. Es ist wichtig, sich Unterstützung zu suchen und offen über die eigenen Ängste zu sprechen, um geeignete Therapieansätze zu finden und langfristig eine Verbesserung zu erzielen.