Selbstwert und Gewichtssorgen: Eine stille Herausforderung zur Weihnachtszeit
Fachlich geprüft von
Inês Lopes
Die Weihnachtszeit wird oft als die schönste Zeit des Jahres bezeichnet: Familie, Freund:innen, Geschenke und natürlich viele leckere Mahlzeiten. Doch für viele Menschen birgt diese Zeit auch Herausforderungen. Besonders Schuldgefühle nach dem Essen, kritische Gedanken über den eigenen Körper sowie ein erhöhtes Stressempfinden können in der besinnlichen Zeit verstärkt auftreten. Doch warum ist das so, und wie hängt dies mit psychischer Gesundheit zusammen?
Festliche Mahlzeiten gehören für viele zur Weihnachtszeit dazu: Von Plätzchen über Braten bis hin zu Dessertkreationen wird oft mehr gegessen als im Alltag. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches oder Problematisches. Doch für Menschen, die zu Schuldgefühlen nach dem Essen neigen, kann genau das zur Herausforderung werden.
Diese Schuldgefühle entstehen häufig aus einer strengen inneren Haltung, die von gesellschaftlichen Idealvorstellungen über Körperbilder und Ernährung beeinflusst wird. Botschaften wie „Verzicht ist Disziplin“ oder „Süßigkeiten sind ungesund“ verankern sich im Denken vieler Menschen. Feiertage, die mit Überfluss und Genuss einhergehen, können daher innere Konflikte auslösen.
Typische Gedanken können sein:
- „Ich hätte das Dessert nicht essen sollen.“
- „Jetzt habe ich über die Stränge geschlagen, das muss ich morgen ausgleichen.“
- „Ich werde sicher zunehmen, wenn ich so weitermache.“
Diese Gedanken sind oft mit negativen Gefühlen wie Scham, Selbstkritik oder Angst verbunden und können sich negativ auf das Selbstbild und die eigene Wahrnehmung auswirken.
Körperwahrnehmung: Eine besondere Herausforderung in der Weihnachtszeit
Die Weihnachtszeit ist nicht nur kulinarisch, sondern auch sozial geprägt. Das Wiedersehen mit Menschen, die man länger nicht gesehen hat oder mit Familie und Freund:innen können für viele auch zu einer Art Schaulaufen werden. Kommentare über Gewicht, Aussehen oder Ernährung können dabei besonders verletzend wirken.
Beispiele für belastende Kommentare:
- „Hast du zugenommen?“
- „Du isst ja ganz schön viel heute.“
- „So schlank warst du doch früher nicht.“
Solche Aussagen können das Körperbewusstsein stark beeinflussen und bestehende Unsicherheiten verstärken. Insbesondere Menschen, die bereits ein problematisches Essverhalten haben, können durch solche Äußerungen enorm belastet werden.
Für manche Menschen sind Schuldgefühle nach dem Essen nicht nur vorübergehende Phänomene, sondern Symptome einer tieferliegenden psychischen Erkrankung. Wie die Feiertage problematisches Essverhalten beeinflussen können, kann sich auf unterschiedliche Art zeigen:
- Erhöhter sozialer Druck: Das gemeinsame Essen wird zur Herausforderung, insbesondere wenn Betroffene versuchen, ihr Essverhalten zu verbergen.
- Konfrontation mit Überfluss: Die Vielzahl an Speisen und die Erwartung, „mitzumachen“, kann bei Menschen mit problematischem Essverhalten Ängste und Stress auslösen.
- Belastende Kommentare: Unbedachte Aussagen von Verwandten oder Freund:innen über Gewicht oder Essgewohnheiten können Betroffene weiter verunsichern.
Grundsätzlich können die Feiertage überfordernd sein und Stress auslösen. Die Kombination aus sozialen Verpflichtungen, finanziellen Belastungen und dem Druck, eine „perfekte“ Zeit zu erleben, kann psychische Belastungen verschärfen.
Tipps für die nächste Weihnachtszeit
Wenn du dich in dieser Beschreibung wiedererkennst, ist es wichtig, Strategien zu entwickeln, um besser mit den Herausforderungen der Weihnachtszeit umzugehen. Hier sind einige Tipps:
1. Selbstmitgefühl üben
Erinnere dich daran, dass Genuss ein wichtiger Bestandteil eines ausgewogenen Lebens ist. Schuldgefühle nach dem Essen sind nicht nötig und oft kontraproduktiv. Versuche, mit dir selbst so zu sprechen, wie du es bei einem guten Freund oder einer guten Freundin tun würdest.
2. Grenzen setzen
Wenn dich Kommentare über dein Aussehen oder dein Essverhalten belasten, ist es völlig in Ordnung, diese Grenzen klar zu kommunizieren. Zum Beispiel:
- „Ich möchte nicht über mein Gewicht sprechen.“
- „Können wir das Thema wechseln?“
3. Realistische Erwartungen setzen
Die Weihnachtszeit muss nicht perfekt sein. Erlaube dir, dass nicht alles reibungslos laufen muss, und konzentriere dich auf die Momente, die dir guttun.
4. Unterstützung suchen
Wenn du merkst, dass deine Schuldgefühle, deine Körperwahrnehmung oder dein Essverhalten dich stark belasten, zögere nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Gespräch mit Psychotherapeut:innen oder Beratungsstellen können eine große Unterstützung sein.
Ein liebevoller Abschluss
Die Weihnachtszeit kann für viele eine Zeit der Freude, aber auch der Herausforderungen sein. Schuldgefühle nach dem Essen, eine kritische Körperwahrnehmung und erhöhte psychische Belastungen hängen oft miteinander zusammen und können durch gesellschaftliche Ideale und Erwartungen verstärkt werden. Es ist jedoch möglich, Wege zu finden, um mit diesen Gefühlen umzugehen und sich selbst mit Mitgefühl und Verständnis zu begegnen.
Es ist völlig in Ordnung, die Weihnachtszeit auf deine Weise zu gestalten und dabei vor allem auf dein Wohlbefinden zu achten. Genieße die Momente, die dir guttun, und sei freundlich zu dir selbst – das ist das schönste Geschenk, das du dir machen kannst.