Globale Krisen – wie kann ich damit in der Psychotherapie umgehen?
Fachlich geprüft von
Inês Lopes
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Globale Krisen sind ein Thema, das kaum spurlos vorbei geht. Klimawandel, Pandemien, geopolitische Konflikte oder wirtschaftliche Unsicherheiten – diese globalen Herausforderungen sind allgegenwärtig und beeinflussen nicht nur die Gesellschaft im Großen, sondern auch jede:n Einzelne:n. Viele Menschen kommen deshalb mit Ängsten, Sorgen oder gar existenziellen Krisen in die Psychotherapie. Für Therapeut:innen stellt sich dabei die Frage: Wie können sie Klient:innen in diesen schwierigen Zeiten optimal begleiten?
Dieser Artikel beleuchtet Ansätze und Strategien, wie Therapeut*innen Ängste im Zusammenhang mit globalen Krisen in der therapeutischen Praxis aufgreifen können.
Die Bedeutung des Kontextes verstehen
Bevor Therapeut:innen mit den spezifischen Ängsten der Klient:innen arbeiten, ist es wichtig, den Kontext zu erfassen. Globale Krisen betreffen Menschen unterschiedlich stark, je nach persönlicher Lebenssituation, sozialem Umfeld und individuellen Erfahrungen. Manche Patient:innen verspüren lediglich ein diffuses Unwohlsein, während andere von konkreten Existenzängsten geplagt werden. Ein achtsames und nicht wertendes Erkunden der individuellen Wahrnehmung ist entscheidend, um die passende therapeutische Intervention zu wählen.
Fragen, die Therapeut:innen stellen können:
- Wie beeinflussen die aktuellen globalen Ereignisse Ihren Alltag?
- Welche Gedanken kommen Ihnen am häufigsten, wenn Sie an diese Krisen denken?
- Spüren Sie diese Belastungen in Form von Körpersymptomen oder Verhaltensänderungen?
Psychoedukation: Wissen als Grundlage der Stabilisierung
Viele Klient:innen empfinden eine globale Krise als überwältigend, vor allem, wenn sie das Gefühl haben, der Situation ausgeliefert zu sein. Hier setzt die Psychoedukation an. Therapeut:innen können erklären, wie Stressmechanismen funktionieren und wie Ängste durch Nachrichten oder soziale Medien verstärkt werden können. Wichtig ist dabei, auch auf die normale Reaktion des Gehirns auf Bedrohungen einzugehen und zu vermitteln, dass Ängste angesichts unsicherer Zeiten eine natürliche Reaktion darstellen.
Hilfreiche Inhalte der Psychoedukation:
- Die neurobiologischen Grundlagen von Angst und Stress
- Der Einfluss von Informationsüberflutung und permanenter Krisenberichterstattung
- Techniken, um sich vor übermäßiger Belastung durch Medien zu schützen
Emotionsregulation als Kern der Therapie
Ein großer Teil der Arbeit in der Therapie besteht darin, Klient:innen Werkzeuge zur Emotionsregulation an die Hand zu geben. Das Ziel ist nicht, Ängste vollständig auszuschalten, sondern den Umgang mit ihnen zu verbessern. Methoden wie die kognitive Verhaltenstherapie (CBT), achtsamkeitsbasierte Ansätze oder Techniken der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) können hier wirksam sein.
Praktische Übungen zur Emotionsregulation:
- Atemtechniken: Tiefe Bauchatmung kann helfen, das autonome Nervensystem zu beruhigen.
- Gedanken verändern: Patient:innen lernen, angstauslösende Gedanken zu hinterfragen und realistische Sichtweisen zu entwickeln.
- Achtsamkeitsübungen: Das bewusste Erleben des Hier und Jetzt verringert oft die gedankliche Fixierung auf worst-case-Szenarien.
Sinnsuche und Resilienzförderung
Viele Klient:innen berichten, dass globale Krisen ihre Grundwerte und ihr Lebenskonzept infrage stellen. Hier können Therapeut:innen ansetzen, um gemeinsam neue Sinnquellen zu erschließen und langfristig Resilienz zu fördern. Viktor Frankls Konzept der Sinnfindung in belastenden Situationen oder Methoden der positiven Psychologie sind hierbei hilfreich.
Strategien zur Sinnsuche:
- Reflexion über persönliche Werte und Ziele
- Identifikation kleiner, positiver Handlungen, die Patient:innen das Gefühl von Kontrolle und Einfluss vermitteln
- Entwicklung eines langfristigen Zukunftsbildes, das Hoffnung und Perspektive schafft
Resilienzförderung bedeutet, nicht nur auf die aktuelle Krise zu reagieren, sondern auch zukünftige Herausforderungen besser zu bewältigen. Elemente wie soziale Unterstützung, ein realistisches Optimismus-Verständnis und Selbstfürsorge sind dabei Schlüsselfaktoren.
Umgang mit Überforderung und Erschöpfung
In manchen Fällen kann die emotionale Last der globalen Krisen zu einer Überforderung führen, die sich in Erschöpfung oder depressiven Symptomen äußern kann. Hier ist es wichtig, frühzeitig Symptome zu erkennen und die Belastung zu reduzieren. Therapeut:innen können dabei helfen, Belastungsquellen zu identifizieren und gezielte Entlastungsstrategien zu entwickeln.
Mögliche Entlastungsstrategien:
- Erstellung eines individuellen Belastungsmanagements (z.B. klare Medienkonsumzeiten)
- Regelmäßige Erholungsphasen in den Alltag integrieren
- Entspannungsmethoden wie progressive Muskelentspannung oder geführte Meditation
Soziale Verbindungen stärken
Der soziale Kontext ist für den Umgang mit Ängsten und Sorgen essenziell. Studien zeigen, dass soziale Isolation die psychische Belastung verstärken kann. Therapeut:innen können Klient:innen dabei unterstützen, stabile soziale Kontakte zu pflegen oder wiederherzustellen.
Maßnahmen zur Stärkung des sozialen Netzwerks:
- Ermutigung zu offenen Gesprächen über Ängste innerhalb des Freundes- und Familienkreises
- Gemeinsame Teilnahme an Gemeinschaftsprojekten oder ehrenamtlichen Aktivitäten
- Aufbau eines virtuellen Netzwerks, falls reale Kontakte schwer erreichbar sind
Selbstfürsorge und Abgrenzung auch für Therapeut:innen
Nicht zuletzt dürfen Therapeut:innen ihre eigene Belastungsgrenze nicht vergessen. Die Arbeit mit Klient:innen, die unter Ängsten durch globale Krisen leiden, kann auch für die Therapeut:innen emotional fordernd sein. Supervision, Austausch mit Kolleg:innen und die bewusste Pflege der eigenen Selbstfürsorge sind daher essenziell.
Abschluss
Globale Krisen werden uns voraussichtlich noch lange begleiten, doch mit den richtigen therapeutischen Strategien können Klient:innen lernen, besser mit ihren Ängsten und Sorgen umzugehen. Therapeut:innen nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein, indem sie nicht nur Symptome behandeln, sondern auch langfristige Resilienz und Hoffnung fördern. Der offene Umgang mit globalen Herausforderungen in der Psychotherapie bietet die Möglichkeit, aus der Krise nicht nur gestärkt hervorzugehen, sondern auch einen neuen Sinn im Leben zu finden.