Wie äußert sich eine Depression bei Männern?

Fachlich geprüft von

Inês Lopes

Triggerwarnung: In diesem Artikel wird auf das Thema Suizidgedanken und Suizidalität eingegangen. Wenn du bei dir solche Gedanken feststellst, findest du in dem Artikel Unterstützungsangebote und Kontaktmöglichkeiten. Bei akuten Suizidabsichten wende dich bitte telefonisch in Deutschland an die 112 oder 116 117 und in der Schweiz an 143.  

Depressionen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema – insbesondere, wenn es Männer betrifft. Während Frauen häufiger offen über ihre Gefühle sprechen und Unterstützung suchen, wird die Depression bei Männern oft anders wahrgenommen und zeigt sich auch in anderen Symptomen. Das hat zur Folge, dass viele Männer ihre Depression nicht als solche erkennen oder sich keine Hilfe suchen, da sie das Gefühl haben, „stark“ sein zu müssen. Es wird davon ausgegangen, dass Männer deshalb häufiger ohne Diagnose bleiben und Hilfe erst viel später in Anspruch nehmen. Dies kann auch zu suizidalen Gedanken und Suizid führen. Dieser Artikel beleuchtet, wie sich Depressionen bei Männern äußern und warum es so wichtig ist, diese Symptome zu erkennen und ernst zu nehmen.

Symptome bei Männern

Depressionen bei Männern äußern sich oft anders. Männer zeigen häufig eine höhere Reizbarkeit und Aggressivität, was oft auf Ablehnung und Unverständnis stoßen kann. Das kann dazu führen, dass sich Betroffene zunehmend isolieren und die Erkrankung lange unentdeckt bleibt.

 

Die folgenden Symptome können Hinweise auf eine Depression bei Männern sein:

  • Wut und Reizbarkeit: Statt Traurigkeit empfinden viele Männer eher eine innere Wut oder sind schneller gereizt. Diese Emotionen können zu Konflikten im privaten und beruflichen Umfeld führen und erschweren die Beziehung zu anderen.
  • Verlust an Interesse und Freude: Männer, die an Depressionen leiden, verlieren oft das Interesse an Hobbys, sozialen Aktivitäten oder ihrer Arbeit. Dinge, die früher Freude bereitet haben, wirken plötzlich sinnlos und anstrengend.
  • Körperliche Beschwerden: Viele Männer erleben Depressionen in Form von körperlichen Symptomen, wie z. B. chronischen Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Magenbeschwerden. Diese somatischen Symptome können den Leidensdruck erhöhen und die Lebensqualität deutlich einschränken.
  • Selbstmedikation durch Alkohol oder Drogen: Da es vielen Männern schwerfällt, über ihre psychischen Probleme zu sprechen, greifen sie häufig zu Alkohol oder anderen Substanzen, um die Symptome zu dämpfen. Dies kann jedoch zu einer Abwärtsspirale führen und die Depression verstärken.
  • Erschöpfung und Schlafprobleme: Ein weiteres häufiges Anzeichen einer Depression ist eine andauernde Müdigkeit und Schlafstörungen. Viele Betroffene haben Probleme einzuschlafen oder schlafen zu viel, was die tägliche Leistungsfähigkeit weiter beeinträchtigt.
  • Gefühl der Wertlosigkeit und Schuldgefühle: Männer mit Depressionen fühlen sich oft wertlos oder glauben, dass sie ihren Aufgaben und Erwartungen nicht gerecht werden. Diese negativen Gedanken können zu starkem Selbstzweifel und Schuldgefühlen führen.
  • Risikobereitschaft und gefährliches Verhalten: Manche Männer versuchen, ihre depressive Verstimmung durch gefährliches Verhalten zu kompensieren. Das kann sich in übermäßigem Risikoverhalten äußern, wie z. B. rücksichtsloses Fahren, exzessiver Sport oder berufliche Überstunden.

Ursachen und Risikofaktoren für Depressionen bei Männern

Es gibt zahlreiche Gründe, warum Männer eine Depression entwickeln können. Neben genetischen und biologischen Faktoren spielen auch soziale und psychologische Aspekte eine Rolle. Die Gesellschaft erwartet oft von Männern, dass sie stark und unabhängig sind, was zu einem höheren Druck führt, Gefühle zu unterdrücken. Auch einschneidende Lebensereignisse wie Trennungen, finanzielle Schwierigkeiten oder Arbeitslosigkeit können das Risiko für eine Depression erhöhen.

Ein weiterer Risikofaktor ist die sogenannte „toxische Männlichkeit“ – das Ideal, dass Männer immer stark und unempfindlich sein sollten. Männer, die nach diesem Ideal leben, neigen eher dazu, ihre Probleme herunterzuspielen und keine Hilfe zu suchen, was die Symptome einer Depression verschlimmern kann. Die Erziehung und das gesellschaftliche Umfeld beeinflussen stark, wie Männer mit ihren Emotionen umgehen und wie offen sie über psychische Probleme sprechen.

Der Zusammenhang von Depression und Suizidalität bei Männern

Ein beunruhigender Fakt ist, dass Männer häufiger von Suizid betroffen sind als Frauen. Diese Tatsache steht oft im Zusammenhang mit der unzureichenden Diagnose und Behandlung von Depressionen. Da viele Männer ihre Symptome verstecken und das Bedürfnis verspüren, ihre Probleme allein zu lösen, suchen sie oft erst spät Hilfe. Suizidale Gedanken können sich aus einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Überforderung entwickeln. Es ist daher besonders wichtig, Anzeichen wie Rückzug, sich verabschiedende Aussagen oder ein erhöhtes Risikoverhalten ernst zu nehmen und betroffene Männer frühzeitig zu unterstützen.

Falls du oder jemand in deinem Umfeld an Depressionen leidet oder suizidale Gedanken hat, zögere nicht, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Hier findest du einige wichtige Anlaufstellen in Deutschland und der Schweiz:

Deutschland:

  • Deutsche Depressionshilfe: Diese Organisation bietet umfassende Informationen, Hilfestellungen und Kontaktmöglichkeiten zu Beratungsstellen in deiner Nähe. Die Deutsche Depressionshilfe betreibt außerdem das Deutsche Bündnis gegen Depression und bietet spezielle Programme zur Suizidprävention.
  • Telefonseelsorge: Unter den Telefonnummern 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222 erreichst du rund um die Uhr qualifizierte Ansprechpartner*innen, die dir zuhören und Unterstützung anbieten. Der Anruf ist kostenfrei und anonym.
  • App Krisenkompass: Die Telefonseelsorge hat für Menschen mit Suizidgedanken und Personen, die sie begleiten, die kostenfreie App „Krisen-Kompass“ als Hilfsmittel herausgebracht. Sie kann in den gängigen App-Stores heruntergeladen werden und gewährleistet absolute Vertraulichkeit.
  • Notfallnummern für akute Krisen: Sollten sich die Suizidgedanken zuspitzen, kannst du dich direkt an eine psychiatrische Notfallambulanz oder an den ärztlichen Notdienst unter 116 117 wenden. Du darfst in so einer akuten Situation auch den Rettungsdienst unter 112 anrufen. Hier erhältst du schnelle, professionelle Unterstützung.

Schweiz:

  • Männerspezifische Psychotherapieprogramme: Die Universität Zürich bietet ein spezielles Psychotherapieprogramm für depressive Störungen bei Männern an. Dieses Programm zielt darauf ab, geschlechtsspezifische Aspekte in der Therapie zu berücksichtigen und Männern den Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung zu erleichtern. Psychologie UZH
  • Selbsthilfegruppen für Männer: Der Verein EQUILIBRIUM unterstützt Selbsthilfegruppen für Menschen mit Depressionen. Es gibt Gruppen, die sich speziell an Männer richten, um den Austausch unter Gleichgesinnten zu fördern. Informationen zu bestehenden Gruppen und zur Gründung neuer Gruppen findest du auf der Website von EQUILIBRIUM.  
  • Dargebotene Hand (Telefon 143): Anonyme und vertrauliche Beratung für Menschen in Krisensituationen, rund um die Uhr erreichbar.
  • Pro Mente Sana: Bietet Beratung und Unterstützung für Menschen mit psychischen Belastungen

Diese Anlaufstellen sind speziell dafür da, Menschen mit Depressionen und suizidalen Gedanken zu unterstützen und Hilfestellung zu bieten. Wenn du merkst, dass du oder jemand in deinem Umfeld Unterstützung braucht, zögere nicht, diese Angebote wahrzunehmen.

Depression erkennen und Behandlungsmöglichkeiten für Männer

Eine Depression zu erkennen und anzuerkennen ist der erste wichtige Schritt zur Besserung. Betroffene Männer sollten sich bewusst machen, dass es keine Schwäche ist, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Männern im Bereich der psychischen Gesundheit nimmt zu und es gibt verschiedene Herangehensweisen diese zu fördern.

  • Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie hat sich als besonders effektiv bei der Behandlung von Depressionen erwiesen. Hier lernen Betroffene, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern. Auch tiefenpsychologische Ansätze können hilfreich sein, um die Wurzeln der Depression zu verstehen.
  • Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen können Antidepressiva notwendig sein, um die Symptomatik zu lindern. Eine medikamentöse Behandlung kann immer in Kombination mit einer Psychotherapie erfolgen.
  • Selbsthilfe und soziale Unterstützung: Ein starkes soziales Netzwerk ist essenziell, um die Herausforderungen der Depression zu bewältigen. Familie, Freund:innen und Selbsthilfegruppen bieten wichtige Unterstützung und helfen, das Gefühl der Isolation zu überwinden.
  • Gesunde Lebensgewohnheiten: Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und der Verzicht auf Alkohol und Drogen können die Stimmung stabilisieren und das Wohlbefinden fördern. Männer, die auf ihren Körper achten, erleben häufig auch eine Verbesserung ihres psychischen Zustands.

Die Rolle von Sensibilisierung und Prävention

Um die Dunkelziffer der Depression bei Männern zu senken, ist es entscheidend, das Bewusstsein für diese Thematik zu erhöhen. Arbeitgeber:innen, Ärzti:nnen und psychologische Fachkräfte sollten darauf achten, geschlechtsspezifische Unterschiede zu erkennen und entsprechende Unterstützung anzubieten. Öffentliche Kampagnen und Initiativen können helfen, Vorurteile abzubauen und Männer zu ermutigen, über ihre psychische Gesundheit zu sprechen. Eine frühzeitige Intervention kann das Risiko für schwerwiegende Konsequenzen wie Suizid deutlich reduzieren.

Abschluss

Depressionen sind ernsthafte Erkrankungen, die niemand allein bewältigen sollte. Insbesondere Männer stehen jedoch vor zusätzlichen Hürden, wenn es darum geht, ihre Symptome zu erkennen und Hilfe zu suchen. Das gesellschaftliche Bild des „starken Mannes“ macht es vielen schwer, sich zu öffnen und über ihre psychische Gesundheit zu sprechen. Doch genau hier ist ein Umdenken notwendig: Auch Männer sind von Depressionen betroffen, und das Anerkennen dieser Krankheit ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Mut.

Wenn du selbst von einer Depression betroffen bist oder jemanden kennst, der Hilfe benötigen könnte, zögere nicht, professionelle Unterstützung zu suchen. Es gibt zahlreiche Beratungsstellen, Therapieangebote und Selbsthilfegruppen, die Betroffenen dabei helfen, zurück ins Leben zu finden. Gemeinsam können wir das Stigma um die männliche Depression verabschieden und dafür sorgen, dass sich jeder Mann die Unterstützung holen kann, die er braucht.